12. Juli 2021 Thema: Blog Von Peggy Schierenbeck
Leider ist eingetroffen, was viele Psychologen, Ärzte und Beratungsstellen prognostiziert haben: Das Gewaltpotenzial in Familien nahm während der Corona-Krise zu. Die Kinder sind im Homeschooling, Jugendhäuser und andere soziale Einrichtungen waren geschlossen, die Eltern in Kurzarbeit oder Homeoffice; dazu noch die Angst vor dem Virus und gleichzeitig die Corona-Gegner, die ständig behaupten, die Pandemie sei eine groß angelegte Manipulation von wem auch immer.
Großstädte wie Hamburg haben Hotes angemietet, weil die Frauenhäuser überfüllt waren, obwohl nur ein sehr kleiner Anteil Hilfsangebote in Anspruch nimmt. Eine Zunahme von Ängsten, Zwangs- und Essstörungen verzeichnen die Anlaufstellen für Kinder und Jugendlichen in Not. Die Spätfolgen werden als enorm bezeichnet. Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund sind stärker betroffen. Es gibt viel zu tun.
aber es bleiben noch viel zu viele Kinder und Jugendliche ungehört und ungesehen. Die Lehrer*innen fallen als aufmerksame Beobachter und Ansprechpartner für die Kinder weg. Da die Jugendhäuser geschlossen sind, fallen eben auch dort Ansprechpartner weg.
Kinder und Jugendliche haben in Zeiten der Pandemie keine geschützten und vertraute Aufenthaltsorte mehr. Wie wichtig diese Einrichtungen sind, zeigt sich jetzt noch deutlicher.
Vereinsamung und Zukunftsängste beklagen die jungen Menschen. Ich finde es schlimm, wenn ich das lese. Ich finde es schon schlimm, wenn ich das bei Erwachsenen lese und bei Jugendlichen und Kindern noch einmal mehr. 60 Prozent mehr Anfragen gibt es für Psychotherapie.
Ja, ich weiß, die Liste ist lang: Bessere Versorgung durch einen größeren Personalschlüssel bzw. kleinere Gruppen für frühkindliche Bildung in den Kitas. Kleinere Klassen, mehr Lehrer*innen in den Schulen; dort auch an die heutigen Bedarfe angepasste Bildungskonzepte. Der Ruf nach mehr Sozialpädagogik in den Schulen wird berechtigterweise immer lauter. Mehr Anerkennung. Mit den Pflegeberufen können wir gleich weitermachen. Eine bessere Bezahlung für die genannten Berufsgruppen selbstverständlich auch. Dennoch gilt: Ja, wir müssen da ran. Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen besser schützen. Wir müssen als Staat da sein und Versorgung leisten, wenn Eltern dies nicht alleine können.
Hinschauen! Zuhören! Ernst nehmen. Unterstützung anbieten, wenn es möglich ist. Begleiten, informieren. Beobachten und ja, auch melden, wenn es erforderlich ist. Jede/r Einzelne kann und sollte etwas tun. Zivilcourage nennt man das wohl.
Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Das was ich mir wünsche und was ich für unabdingbar halte, ist, dass wir diese Pandemie aufarbeiten. Sie hat aufgezeigt, was in unserem System unzureichend ist. Wir dürfen nicht so tun, als wäre nichts gewesen. Der Staat muss sich in allen Ebenen der Defizite annehmen und bei ihrer Beseitigung einspringen. Wir müssen auch die Ehrenamtlichen unterstützen. In meinen zahlreichen Gesprächen mit sozialen Einrichtungen habe ich gelernt, wie viel sie für unser Land tun, indem sie sich selbstverständlich und mit viel Engagement einsetzen. Das verdient unseren Respekt.