17. März 2023 Thema: Blog, Innenpolitik Von Peggy Schierenbeck
In den vergangenen 20 Jahren ist der Bundestag immer größer geworden. Zurzeit sind wir 736 Abgeordnete. Mit der Wahlrechtsreform sollen künftig nur noch 630 Abgeordnete die Interessen der Wähler:innen vertreten.
In den letzten Wochen und Monaten haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP diverse Vorschläge zur Wahlrechtsänderung intensiv beraten und verschiedene Modelle diskutiert. Heute hat der Bundestag endlich das Wahlrecht reformiert!
Die letzten Wahlen haben die Zahl der Abgeordneten stetig erhöht. Nach der Wahl 2013 zogen 631 Parlamentarier in den Bundestag ein; 2021 waren es 736. Überhang- und Ausgleichsmandate haben den Bundestag immer weiter aufgebläht. Wir bekommen langsam ein Platzproblem; sowohl im Plenarsaal als auch bei der Verteilung der Büroräume in den Liegenschaften des Deutschen Bundestages.
Außerdem muss jedes Mitglied des Bundestags auch in einem Ausschuss mitarbeiten können. Jedoch wachsen auch die Ausschüsse, sodass eine gründliche Beratung von Vorlagen bei einer steigenden Zahl von Ausschussmitgliedern kaum noch möglich wäre.
Mehr Parlamentarier bedeuten auch mehr Kosten: Technik, Mitarbeiter:innen, Ausstattung der Büroräume, und so weiter. Das alles wird aus Steuergeldern bezahlt, mit denen wir gewissenhaft zu haushalten haben.
Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgenommen, das Wahlrecht zu überarbeiten, um das Anwachsen des Bundestages zu verhindern. Bereits im Juli 2022 haben sich die Koalitionsfraktionen darauf geeinigt, dass wir am Grundsatz der personalisierten Verhältniswahl festhalten. Der intensive und offene Diskussionsprozess und die öffentliche Anhörung am 6. Februar 2023 sowie die Berücksichtigung der Vorschläge von CDU/CSU ergaben schließlich den Gesetzentwurf, den wir heute beschlossen haben.
Die beste Nachricht: Es bleibt bei zwei Kreuzen. Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, dass sich der Bundestag auf eine Regelgröße von 630 Abgeordnete verkleinert und die bisherigen 299 Wahlkreise bestehen bleiben. Wir haben den Vorschlag der Disparität von CDU/CSU berücksichtigt: Es wird künftig 299 Wahlkreise, aber 331 Listenmandate geben. Dadurch soll ermöglicht werden, dass möglichst alle Wahlkreise eine:r Abgeordneten zugeteilt werden.
Im Mittelpunkt steht die Verhältniswahl. Mit der Zweitstimme stimmen die Wähler:innen darüber ab, wie viele von den 630 Sitzen eine Partei im Bundestag bekommen soll. Das ist die Oberverteilung.
Diese Mandate müssen nun auf die Landeslisten der Parteien in den Bundesländern aufgeteilt werden. Dies geschieht im Verhältnis zu ihrem Abschneiden bei der Wahl. Das ist die Unterverteilung.
Dann wird bestimmt, welche Kandidat:innen ein Mandat erhalten. Dafür schauen wir uns die Erststimme an. Die Wähler:innen votieren damit für die Bewerber:innen in ihrem Wahlkreis. Jetzt kommt es zum Verfahren der Zweitstimmendeckung. Demzufolge können nur so viele erfolgreiche Kandidat:innen einer Partei nur dann in den Bundestag einziehen, wenn sie einen durch ihre Partei nach deren Zweitstimmenergebnis im betreffenden Land errungenen Sitz erhalten. Diese Sitze werden vergeben, indem die Wahlkreisersten, also diejenigen mit den meisten Stimmen in ihrem Wahlkreis, in ein Ranking gebracht werden: Der oder die Wahlkreiserste mit dem höchsten Wahlkreisstimmenanteil kommt an erste Stelle, der oder die Wahlkreiserste mit dem zweithöchsten Wahlkreisstimmenanteil kommt an zweite Stelle, und so weiter. Wenn zum Beispiel eine Partei in einem Bundesland 21 Mandate über die Zweitstimme erlangt, dann werden diese an die Liste der Wahlkreisersten verteilt. Wenn weniger als 21 Wahlkreiserste auf dieser Liste der Wahlkreisersten stehen, werden die restlichen Mandate an Bewerber:innen auf der Landesliste vergeben. Sind mehr Wahlkreiserste als Mandate vorhanden, dann kann derjenige Wahlkreiserste mit dem 22.-besten Ergebnis nicht in den Bundestag einziehen.
Es bleibt dabei, dass eine Partei nur in den Bundestag einziehen kann, wenn sie mehr als fünf Prozent der Stimmen geholt hat. Die sogenannte Grundmandatsklausel ermöglichte es einer Partei, die zwar weniger als fünf Prozent der Stimmen geholt hat, aber drei Wahlkreise direkt gewonnen hat, in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen. Dies wird mit dem neuen Wahlrecht nicht mehr möglich sein.
Als SPD sind wir bereit, unser Land zu modernisieren und Reformen voranzubringen, und wir haben keine Angst davor, uns selbst davon nicht auszunehmen. Unser Gesetzentwurf ist politisch mutig und inhaltlich radikal in seiner Einfachheit und Konsequenz. Und was besonders wichtig ist: Er betrifft im Ergebnis alle Fraktionen gleichermaßen. Mit unserem Vorschlag stellen wir sicher, dass der Bundestag bei seiner Regelgröße bleibt und keine Fraktion einseitig bevorzugt wird.
Eine Änderung des Bundeswahlgesetzes war zwingend notwendig. Mir war es absolut wichtig, die 299 Wahlkreise zu erhalten. Denn wenn wir uns nicht auf ein neues Wahlrecht hätten einigen können, dann hätte eine Gesetzesänderung der letzten Regierung gegriffen: Die Wahlkommission hätte die Wahlkreise neu zugeschnitten. In dem Szenario wäre der Landkries Nienburg wieder vollständig in einem Wahlkreis integriert, aber der Landkreis Diepholz wäre zerschnitten worden. Diese gewachsenen Strukturen, in denen sich alle Beteiligten – die Institutionen, Städte, Kommunen, aber auch die Bürger:innen – bereits gut zurechtfinden, wollte ich unbedingt bewahren. Ich wollte unbedingt unsere gute Zusammenarbeit sichern. Und ich wollte für den seltenen Fall, dass ein Wahlkreis tatsächlich unbesetzt bleiben sollte, eine für die betroffenen Bürger:innen gute Lösung finden. Unser Mandat ist genau dafür da: Gute Lösungen für die Bürger:innen nicht nur in unserem eigenen Wahlkreis, sondern für die gesamte Bundesrepublik zu finden.